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Die Hypozykloide

Im Zusammenhang den Epizykloiden wurden auch die Hypozykloiden als Rollkurven von festen Kreispunkten im Inneren eines Leitkreises betrachtet, so dass die 1679 erschienene Abhandlung von Philippe de La Hire (1640-1718) auch als Beginn der systmatischen Untersuchung dieser Kurven angesehen werden kann.

Bereits zuvor jedoch war eine spezielle hypozykloide Kreiskombination bekannt, die als Cardanische Kreise bezeichnet wird: der Durchmesser des im Inneren des Leitkreises abrollenden Kreises ist genau halb so groß wie der des Leitkreises. Ein fester Kreispunkt des Rollkreises bewegt sich dann ausschließlich auf einem Durchmesser des Leitkreises, d.h. es entsteht eine Strecke als Bahnkurve und somit eine geradlinige Ausprägung einer Hypozykloide. Dieser Zusammenhang wurde vor de La Hire von dem persischen Gelehrten Nasir ad-Din at-Tusi (1201-1274), von Nikolaus Kopernikus (1473-1543) und von Gerolamo Cardano (1501-1576) beschrieben und veröffentlicht [Loria S. 497 f.].

Geometrische Konstruktion

In einer Ebene rollt ein Kreis K mit dem Mittelpunkt M ohne zu gleiten auf der Kreislinie eines Leitkreises L mit dem Mittelpunkt O ab. Der Rollkreis K befindet sich dabei innerhalb der Kreisfläche von L. Der Radius des Rollkreises K sei als r gegeben, der Radius des Leitkreises sei R. Ein fester Punkt P der Kreislinie des Rollkreises K beschreibt beim Abrollen eine Bahnkurve, die als gewöhnliche Hypozykloide bezeichnet wird (Abbildung 29, links).

Hypozykloide Hypozykloide
Abbildung 29: Geometrische Konstruktion einer Hypozykloide (links) und Lage der Hypozykloide im Koordinatensystem (rechts).

Kurvengleichung und geometrische Besonderheiten

In die Ebene wird ein kartesisches Koordinatensystem so eingebracht, dass der Koordinatenursprung im Mittelpunkt O des Leitkreises L liegt und die x-Achse einen Anfangspunkt A der Bahnkurve enthält. Ein Anfangspunkt ist dadurch gekennzeichnet, dass der feste Punkt P gleichzeitig Berührungspunkt bzw. innerer Auflagepunkt von K auf L in der Rollbewegung ist (Abbildung 29, rechts).

Mit Hilfe des Winkels φ=MOA lässt sich die Lage des Rollkreises eindeutig beschreiben. In Abhängigkeit von φ entstehen für die Koordinaten der Kurvenpunkte der gewöhnlichen Hypozykloide parametrische Darstellungen:

  Gewöhliche Hypozykloide:   x = R-r cosφ + r cos R-rr φ
      y = R-r sinφ - r sin R-rr φ
      mit   -<φ<   und   R>r

Das Verhältnis m=Rr der beiden Kreisradien des Leitkreises und des Rollkreises bestimmt die Gestalt der Hypozykloide hinsichtlich der Anzahl der Kurvenbögen und ihrer Geschlossenheit.

Ist m positiv ganzzahlig, so besteht die Kurve aus m Bögen und die Kurve ist geschlossen, d.h. sie endet im Anfangspunkt (Abbildung 30, links). Ein Sonderfall liegt für R=2r vor: die gewöhnliche Hypozykloide artet zu einem Durchmesser des Leitkreises aus, es handelt sich um die Cardanischen Kreise.
Ist m eine echt rationale Zahl pq, so besteht die Kurve aus p Bögen und die Kurve ist nach q Umläufen des Rollkreises geschlossen (Abbildung 30, rechts).
Ist m eine irrationale Zahl, besteht die Kurve aus unendlich vielen Kurvenbögen und ist nicht geschlossen.

Hypozykloide Hypozykloide
Abbildung 30: Gewöhnliche Hypozykloiden im Verhältnis der Radien R:r=3:1 (links) und R:r=7:2 (rechts).

Die periodisch auftretenden Anfangs- und Endpunkte der Kurvenbögen der gewöhnlichen Hypozykloide stellen Singularitäten dar, da die Kurve dort in Spitzen ausläuft.

Verkürzte und verlängerte Hypozykloide

Mit einer verallgemeinerten Lage des festen Punktes P in Bezug auf den Rollkreis entstehen beim Abrollen von K auf einem Leitkreis L verlängerte oder verkürzte Hypozykloiden.

Bezeichne a den Abstand |MP_| . Liegt P innerhalb der Kreisfläche des Rollkreises, gilt also a<r, so entsteht als Bahnkurve des Punktes P eine verkürzte Hypozykloide (Abbildung 31, links). Liegt P außerhalb der Kreisfläche von K, gilt also a>r, so entsteht eine verlängerte Hypozykloide (Abbildung 31, rechts).

verkürzte Hypozykloide verlängerte Hypozykloide
Abbildung 31: Verkürzte Hypozykloide (links) und verlängerte Hypozykloide (rechts) jeweils mit Leitkreis und abrollendem Kreis.

Die Koordinaten der Kurvenpunkte der verkürzten und verlängerten Hypozykloide lassen sich wie bei der gewöhnlichen Hypozykloide in Parameterform ausdrücken:

  Verkürzte bzw. verlängerte Hypozykloide:   x = R-r cosφ - a cos R-rr φ
      y = R-r sinφ - a sin R-rr φ
      mit   -<φ<   und   R>r>0
      sowie   ar<1   bzw.   ar>1

Die verkürzte Hypozykloide weist keine singulären Punkte auf. Die verlängerte Hypozykloide besitzt in periodisch wiederkehrender Folge Singularitäten in Form von Doppelpunkten.



  Bert Xylander - 31. Dezember 2018
 
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